Aktion
Fundstellen Sarmenstorf
Sonntag
31. Juli 2022
Diverse Standorte in 5614
Rekordverdächtig: 27 archäologische Fundstellen
Sarmenstorf hat ein ungewöhnlich reiches archäologisches Erbe. Die Kantonsarchäologie hat bisher nicht weniger als 27 Fundstellen erfasst. Die zwei bekanntesten und wohl auch bedeutendsten sind die Grabhügel im Zigiholz und die römische Villa im Murimooshau. Die meisten der Fundstellen, die über das ganze Gemeindegebiet verstreut sind, befinden sich zugedeckt und geschützt im Boden, sind also nicht sichtbar. Wer würde schon vermuten, dass sich im unteren Langenmoos Spuren von Pfahlbauten befinden, die über 5000 Jahre alt sind.
Im Rahmen des Projektes Grabenstorf werden deshalb an dieser Stelle in loser Folge einige ausgewählte Sarmenstorfer Fundstellen näher vorgestellt. Ihre Geschichte wird erzählt und die Bedeutung der Funde erklärt.
Zudem werden ab August einzelne Fundstellen im Dorfgebiet markiert und mit Informationen versehen, die per QR-Code abgerufen werden können. So können Interessierte vor Ort diese Fundstellen jederzeit und individuell aufsuchen, sich informieren und staunen, wer und was in Sarmenstorf alles unter der Erde verborgen liegt.

A3 - Chaibenwinkel
Im Jahr 1927 wurde im Chaibenwinkel in Sarmenstorf eine Früh-La-Tène-zeitliche Bronze-Fibel gefunden (ca. 450–380 v. Chr.). Sie hatte einen hohen Bügel und einen umgebogenen, in einer Scheibe endenden Fuss. In tiefen Einschnitten auf der äusseren Fläche des Bügels befanden sich wohl ursprünglich Emaileinlagen.
Der Finder und die genauen Fundumstände sind nicht bekannt.
A7 - Bühl
Die Fundstelle Bühl, früher eine moränenartige Erhebung mitten im Dorf, lieferte wiederholt frühmittelalterliche Funde.
So schrieb Dr. Reinhold Bosch 1934 in sein Notizheft, dass man bereits 100 Jahre zuvor Gerippe und Schwerter gefunden habe, als man an dieser Stelle Sand zum Hausbau gewann. In den 1890er Jahren sollen bei der Ausbeutung der Kiesgrube im Bühl weitere Funde gemacht worden sein. 1908 übergab Traugott Ruepp-Breny aus Sarmenstorf ein Scramasax dieser Fundstelle an das Kantonale Antiquarium in Aarau – evtl. wurde der Fund schon im 19. Jh. gemacht. 1911 (oder früher) wurden ein weiteres Schwert, ein Messer, ein Gürtelhaken, ein Bohrer, eine Schnalle und eine Riemenzunge gefunden. Die Fundumstände sind auch hier nicht ganz klar. 1912/13 kamen bei einem Schopfbau auf dem Grundstück des Werkführers über 15 Skelette zum Vorschein, zwei davon in einer Steinfassung, eines auf dem Bauch liegend. Im Jahr 1914 wurden im Bühl eine Bernsteinperle und ein Eberhauer gefunden. Beim Bau der Fabrik Ruepp & Co. in den Jahren 1916, 1918 und 1919 sollen nach Angaben des Bauherrn keine Funde gemacht worden sein.
Im Jahr 1924 schliesslich kam bei der Fundamentierung der westlichen Grundmauer des Fabrikantenhauses Ruepp & Co in über 1m Tiefe ein weiteres Skelett zu Tage. Es lag O.-W.-orientiert und hatte keine Beigaben. Erst 1927 gelangten ein massiver Bronzering und eine Lanzenspitze, die ebenfalls im Jahr 1924 gefunden wurden, in die Schulsammlung Sarmenstorf.
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A8 - Grabächer
In der Dorfchronik von Sarmenstorf von Pfarrer Franz X. Keller von 1862/63 wird berichtet, dass sich im Pfarrbaumgarten und in den sog. Grabäckern einzelne, klar abgegrenzte unfruchtbare Stellen abzeichneten. Daraufhin „durchgründete“ man den Boden und stiess auf eine Vielzahl von grossen und kleinen sog. Bohlersteinen. Diese wurden nicht schichtweise verbaut, sondern aufeinandergehäuft und ineinander geworfen angetroffen. Daneben lagen Mörteltrümmer.
Eine Dokumentation dieser Grabung (Zeichnungen, Pläne, Tagebücher) wurde nicht angefertigt oder ist nicht erhalten.
Ausserdem wurde vermutet, dass einige der ebenfalls in der Chronik von 1862/3 sehr summarisch erwähnten kleinen Hügel mit Grabbeigaben in den Grabächern gelegen haben könnten.
In den Jahren 2017 und 2018 begleitete die Kantonsarchäologie Aargau aufgrund dieser Verdachtsmomente das Ausheben von Leitungsgräben innerhalb der Fundstelle und einer Baugrube für Einfamilienhäuser in unmittelbarer Nähe. Dabei konnten keine Hinweise auf Gräber oder andere archäologische Reste festgestellt werden.
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A11 - Unterbuchwaldacker
Franz X. Keller, Pfarrer und Kämmerer, berichtet in seiner Dorfchronik von Sarmenstorf aus dem Jahr 1862/3, dass man beim Pflügen in den Unterbuchwaldäckern, rechts an der Bremgartner Strasse, auf ein langes Gemäuer gestossen sei. Die Steine, die dort zum Vorschein kamen, seien von den Landeigentümern als Bausteine wiederverwendet worden. In der Heimatkunde aus dem Seetal von 1979 werden diese Überreste als mögliche gallorömische Gebäude interpretiert.
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A16 - Pfarrbaumgarten
In der Dorfchronik von Sarmenstorf von Pfarrer Franz X. Keller von 1862/63 wird berichtet, dass sich im Pfarrbaumgarten (und in den sog. Grabäckern) einzelne, klar abgegrenzte unfruchtbare Stellen abzeichneten. Daraufhin „durchgründete“ man den Boden und stiess auf eine Vielzahl von grossen und kleinen sog. Bohlersteinen. Diese wurden nicht schichtweise verbaut sondern aufeinandergehäuft und ineinander geworfen angetroffen. Daneben lagen Mörteltrümmer.
Eine Dokumentation dieser Grabung (Zeichnungen, Pläne, Tagebücher) wurde nicht angefertigt oder ist nicht erhalten.
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A18 - Keibenwinkel
Dr. Reinhold Bosch (Gründer der „Historischen Vereinigung Seetal und Umgebung“ und späterer Kantonsarchäologe) wurde von Herrn Jos. Döbeli-Meier aus Sarmenstorf gemeldet, dass in seinem Acker sehr viele Steine liegen würden. Er vermutete alte Mauern im Boden.
Daraufhin wurde im November 1926 eine Sondierung durchgeführt, die aber lediglich die Erkenntnis brachte, dass an diesem Ort zu einem nicht bekannten Zeitpunkt Kies gewonnen wurde, wobei man die grösseren Steine liegen liess. Funde wurden keine gemacht. Der Sondiergraben wurde am 1.12.1926 wieder zugedeckt.
R. Bosch berichtet ausserdem, dass der Überlieferung nach an dieser Stelle ein Skelett mit einem „Säbel“ gefunden worden sein soll. Da er keine Quellen nennt und ein entsprechender Fund nicht in der Dorfchronik von 1862/63 auftaucht, muss von mündlicher Überlieferung ausgegangen werden.
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A25 - Unterdorfmatten
In den Jahren 2007 und 2012 beaufsichtigte der Archäologe Paul Gutzwiler im Auftrag der Kantonsarchäologie Aargau zwei Bauunternehmungen in der Flur Unterdorfmatte in Sarmenstorf.
Im September 2007 fand Gutzwiler im Aushub eines Einfamilienhauses den unteren Teil einer römischen Tonfigur, die eine thronende Gottheit darstellte.
Im März 2012 führte er eine Oberflächenprospektion im Bereich einer Grossbaustelle etwas weiter im Norden der Fundstelle durch. Dort zeichnete sich ca. 40 cm unter dem Humus eine dunkle Schicht ab, welche wenige Scherben enthielt. Das in der Fundschicht enthaltene Material wurde vermutlich (durch Wasser) umgelagert, da die Scherben unterschiedlichen Perioden zu zuweisen sind. Neben der WS einer röm. Amphore fanden sich nämlich auch 3 WS (Schrägrandgefäss mit Randdelle und Eindrücke am Hals, Schrägrandtopf und ein Gefäss mit verdicktem, abgestrichenem Rand) welche tendenziell in die Mittel- bis Spätbronzezeit oder der Hallstattzeit zu datieren sind. Hinzu kamen rot gebrannte Steine, welche in ihrer Fundlage allerdings keine erkennbare Struktur ergaben.
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A29 - Untere Langenmoos
Alfred Huber war nicht nur langjähriger Leiter des Museums Burghalde in Lenzburg sondern auch Sammler hauptsächlich steinzeitlicher Artefakte. Zwischen 1955 und 2005 beging er zahlreiche Äcker im Süden des Kantons Aargau und sammelte, was der Pflug zu Tage gefördert hatte. Im Langenmoos in Sarmenstorf konnte er so rund 80 Silices gewinnen – unter anderem Pfeilspitzen und Klingen.
B12 - Tägerli
Max Zurbuchen, Prähistoriker und Leiter der Steinzeitwerkstatt in Boniswil, fand im Jahr 1970 oder 1971 auf dem Tägertli beim Absuchen von Maulwurfhaufen ein Silexgerät. Dies berichtet Karl Baur, der in den 70er und 80er Jahren Präsident der „Historischen Vereinigung Seetal“ war, in seinem unpublizierten Manuskript zu den Fundstellen in Sarmenstorf. Näheres zu dem Objekt ist nicht bekannt.
Im September 1971 wurde, evtl. aufgrund dieses Fundes, eine Phosphatuntersuchung auf dem Tägertli durchgeführt. Dr. Alfred Lüthi von der HTL Brugg-Windisch entnahm und analysierte 97 Proben. Er vermerkte in seinem Bericht: „Für eine vermutete prähistorische Stelle sind die meisten Werte erstaunlich hoch, ja man wäre geneigt, sie der militärischen Tätigkeit auf jenem Sporn oder der landwirtschaftlichen Bearbeitung zuzuweisen. Dagegen sprechen doch wieder die auch vorhandenen Kontraste auf kurze Distanzen. […] Da es sich um einen mageren Moränenboden handelt, ist das Ergebnis doch auffallend. Auch der Knochenleim dürfte einen gewissen Hinweis geben. Bei zahlreichen Erdproben konnten wir zudem Hüttenlehm feststellen.“
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B13 - Kapf
Am 1. August 1972 fand Hulda Ras-Häusermann, die ihre Ferien in Seengen verbrachte, bei einem Spaziergang im Kapf (oder Chapf) eine Hammeraxt. Sie berichtete, dass es an ihrem Wohnort Den Haag viel Sand, aber keine Steine gebe, was viele Einwohner der Stadt veranlasse in ihren Ferien schöne Steine zu sammeln, um sie dann in petrologischen und mineralogischen Clubs zu zeigen und zu tauschen. Deshalb hob sie im Kapf den Stein auf, der ihr wegen der Farbe aufgefallen war. Erst bei näherem Hinsehen entdeckte sie die Bohrung, die mit Erde gefüllt war. Sie brachte das Objekt zu ihrem ehemaligen Lehrer Dr. Reinhold Bosch, der veranlasste, dass der Fund fotografiert und die Fundstelle eingemessen wurde. Karl Baur, langjähriger Präsident der „Historischen Vereinigung Seetal“, besuchte mit der Finderin die Fundstelle. Das Maisfeld, in dem die Hammeraxt gefunden wurde, war durch die heftigen Regenfälle vom 24. Juli stark ausgeschwemmt. Wie sich aber zeigte, war auf der ganzen Breite des Maisfeldes nur Erde mitgeschwemmt worden, sodass sich die anfängliche Vermutung, der Fund könnte durch die Wassermassen nach unten gespült worden sein, nicht bestätigte.
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B14 - Sandhübel / Bühlmoos
Im Januar 1938 fand ein Schüler mit Nachnamen Wernli im Büelmoos, nahe der Grenze gegen Fahrwangen, einen beidseitig angebohrten Stein. Bei diesem handelte es sich möglicherweise um neolithisches Artefakt, evtl. ein Halbfabrikat.
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Wissenswertes aus der Praxis
Archäologie wird auch die Wissenschaft des Spatens genannt. In ihren Ursprüngen stand das Graben nach Artefakten aus der Urgeschichte des Menschen im Vordergrund. Schatzjäger waren genauso am Werk wie Wissenschaftler:innen, Abenteurer:innen und Forscher. Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts entstanden Gesetzgebungen, die den Umgang mit archäologischen Hinterlassenschaften regelten. Man erkannte, dass das archäologische Erbe der Gesellschaft als Ganzes gehört. So hat die Kantonsarchäologie Aargau heute den Auftrag, die archäologischen Hinterlassenschaften im Boden zu schützen und zu erhalten. Nur wenn diese durch Bodeneingriffe zerstört werden, findet eine Ausgrabung statt. „Die beste Ausgrabung ist diejenige, die niemals stattgefunden hat“ lautet denn auch ein geflügeltes Wort unter Archäolog:innen und Ausgräbern. Dennoch wird im Kanton Aargau rege ausgegraben: die Baudynamik fordert viele Opfer. Denn an Orten der Vergangenheit soll in Zukunft gewohnt werden. So führt die Kantonsarchäologie pro Jahr im Schnitt 150 archäologische Untersuchungen durch.
Ein wichtiges Arbeitsinstrument zur Einschätzung, ob bei Bauprojekten mit archäologischen Hinterlassenschaften zu rechnen ist, stellt die Fundstellenkarte dar. Sie wird laufend aktuell gehalten und ist als Online-Karte auf dem Geoportal des Kantons abrufbar. Sämtliche Fundstellen sind darauf mit einem bestimmten Perimeter meist in Kreisform eingetragen. Die Grundlagen solcher Lokalisierungen können ganz unterschiedlich sein. So sind es frühere Ausgrabungen, Beobachtungen, Fundmeldungen, alte Pläne oder Erwähnungen in Schriftquellen, die wertvolle Hinweise liefern. Entsprechend handelt es sich bei den Kreisen um eine Annäherung an die effektive Ausdehnung der Fundstellen. Sie dienen der Kantonsarchäologie, aber auch den Bauverwaltungen und Bauherrschaften gewissermassen als Frühwarnsystem, um mögliche Überschneidungen zwischen künftigen Bauprojekten und archäologischen Kulturgütern vorausschauend zu erkennen.